Halte ich an etwas fest, dass ich eigentlich loslassen müsste?
Ja. An einer vermeintlichen Traumgeburt.
Vorab: Geburten sollten in meinen Augen nicht glorifiziert werden. Vor allen Dingen ist es KEIN Wettbewerb! Frauen sollte der Respekt und der Raum gegeben werden, um in ihrem Sinne gebären zu können. Wir wissen alle, dass Dinge schief gehen können. Zum Teil auch schrecklich schief. Aber die Frau und das Baby sollten immer im Fokus stehen und nicht, dass es den Menschen drum herum so bequem wie möglich gemacht wird!
Die Große musste damals per Kaiserschnitt geholt werden. Es war ein Notkaiserschnitt mit Spinalanästhesie. Das erste, traumatische Erlebnis meines Lebens.
Das liegt zum einen daran, dass ich als weiße Europäerin in einer harmonischen Familie ohne Geldsorgen, privilegiert und ohne Schicksalsschläge aufgewachsen bin. Und zum anderen, dass ich bis dato alles umsetzen konnte, was ich mir vorgenommen hatte.
Zur Geburt meines ersten Kindes, hatte ich sehr klare Vorstellungen. Im Wasser, ohne Schmerzmittel, in unserem Tempo. Tja, es kam halt ganz anders. Dies war so schlimm für mich, dass ich in ihrem ersten Lebensjahr nicht über die Geburt sprechen konnte, ohne zu weinen. Hier kannst du meine gesamte Geburtsgeschichte lesen: annarockt.de/erste-geburt-per-ungeplantem-kaiserschnitt/
Dabei war der Eingriff an sich gar nicht so schlimm
Ich wurde sehr fürsorglich und respektvoll behandelt – was leider nicht bei allen Frauen so ist. Es war die Tatsache, dass ich ganz genaue Vorstellungen hatte, diese absolut gegenteilig erfüllt wurde und ich absolut nichts, auch nicht Rückwirkend, dran ändern konnte, die mich völlig gegen die Wand fahren lies.
Meinen Sohn gebar ich 3,5 Jahre später spontan mit einer Beleghebamme im Krankenhaus. darüber war ich wahnsinnig glücklich und stolz, aber… sie hatte im Vorhinein nie nach meinen Wünschen zur Geburt gefragt und ist in ihrer Art sehr pragmatisch. So lag ich auf dem Rücken – was ich nie wollte, in der Hocke oder auf allen vieren macht so viel mehr Sinn, um die Kräfte zu bündeln – und sollte zudem meine Beine festhalten, was wahnsinnig viel Kraft kostete. So wurde, als ich keine Kraft mehr zum pressen hatte, statt mich einfach in die Hocke oder auf alle vieren wechseln zu lassen, eine Ärztin geholt, die von außen mit auf den Bauch drückte.
In der ersten Woche war ich noch high von der Geburt und schwebte! Aber nur 14 Tage später war ich statt glücklich darüber, mein zweites Kind – so wie ich es mir so sehr gewünscht hatte – spontan geboren zu haben, stellenweise tieftraurig darüber, dass ich schon wieder nicht gefragt worden war, was ich eigentlich will. Dabei geht es doch bei einer Geburt zu 100% um die Frau, damit das Baby ohne Stress und Gefahr zur Welt kommen kann.
Und ich war sauer auf mich, dass ich nicht gesagt hatte, was ich will. Obwohl ich das doch ganz natürlich in anderen Situationen tue. Und sauer auf die, die mir nicht zuhören wollten, obwohl sie wussten, wie wahnsinnig wichtig mir diese Geburt ist.
Mir wurde signalisiert, ich solle glücklich sein, wenn es überhaupt spontan klappen sollte. Und so hatte ich mir wohl eingeredet, keine Ansprüche stellen zu dürfen.
Viele können nicht verstehen, warum mir die Geburt so wichtig ist.
‚Euer Baby ist doch gesund? Was willst du denn mehr?‘.
Diese Frage verstehe ich aber nicht. Sie suggeriert, dass es mir nicht wichtig sei, ein gesundes Baby zur Welt zu bringen… absoluter Blödsinn! Warum in aller Welt schließt das eine denn das andere aus? Muss die Mutter entmündigt und ohne Ansprüche in die Geburt gehen, damit das Baby gesund ist? Ich glaube nicht.
Der Start in das gemeinsame Leben beginnt mit der Geburt. Wie diese abläuft, wie sich Mutter und Kind dabei gefühlt haben, setzt so viele wichtige Impulse für die erste Beziehung und die ersten Wochen und Monate danach.
Geburtserfahrungen in sozialen Medien
Auf der einen Seite finde ich es wunderbar, dass mittlerweile viele Geburtsberichte und Videos dazu existieren. Ich teile meine Erfahrungen ja auch hier und habe einige – teils traurige – wunderbare Erfahrungen anderer Frauen unter ‚Jede Familie ist anders‘ teilen dürfen.
Was dadurch aber auch wächst, ist Druck. Denn die Videos die ich bspw. auf YouTube gesehen habe, sind immer einwandfrei laufende Hausgeburten in der Wanne. Ellen Fisher – mit über 700.000 Abos auf YouTube – hat vier ihrer fünf – man kann es nicht anders sagen – Traumgeburten auf YouTube geteilt und mit ihrer Schwester zusammen sogar eine Art Online-Kurs für eine positive Schwangerschaft und Geburt erstellt. Grundsätzlich wunderbar… es wird aber trotzdem nicht bei allen so perfekt ablaufen, weil so viele Komponenten noch hinzu kommen. Und die Enttäuschung ist dann vielleicht sehr groß.
Eine der wichtigsten, wenn nicht DIE wichtigste, Komponente ist: Was hast du für ein Support-System um dich rum? Wenn diese Menschen sich nicht mit dir auf deine Wünsche einlassen, oder du keine Hebamme findest (was leider immer mehr zur Regel wird), die dich vorher schon betreut und mit dir in die Geburt geht, wird es echt schwer.
Etwas mehr Diversität würde ich mir dazu wünschen.
Wie werden kein 3. Kind bekommen
Ich werden keine dritte Geburt erleben. Aber in meinen Tagträumen, wenn es eine gäbe, wäre es eine Hausgeburt mit einer verständnisvollen Hebamme, die meine Wünsche und Vorstellungen respektiert. Mein Mann, meine Kinder, meine Schwester, meine Mama und zwei enge Freundinnen wären anwesend, um sich um die Bedürfnisse der Kinder und meine, gemeinsam kümmern zu können. Nach der Geburt könnten wir in Ruhe direkt zu Hause ankommen, in meiner Dusche duschen und in unserem Bett schlafen. Freunde würden in den ersten Wochen abwechseln Essen vorbeibringen und wir hätten alle Zeit und Ruhe, um harmonisch im neue Leben anzukommen.
Sollte meine Tochter einmal Kinder bekommen,
wünsche ich mir von Herzen, dass sie erstmal alle Wege geebnet bekommt, dass die Geburt so ablaufen kann, wie sie es sich vorstellt. Das Leben passiert und man kann nicht alles vorherbestimmen – am wenigsten eine Geburt. Aber das sollte niemals der Grund sein, warum man sich diese nicht in eine bestimmt Richtung vorstellen und gestalten sollte. Vielleicht kommt sie tatsächlich genauso wie man es sich wünscht. Und wenn nicht, hat man alles dafür getan, damit es so kommen könnte.
Werde alles dafür tun, damit sie das erleben kann und darf! Und für eine potentielle Schwiegertochter, werde ich dies ebenfalls von Herzen und mit Leidenschaft tun.
Ich lasse jetzt los. Nehme an was war. Bin dankbar für die beiden wundervollen, gesunden Kinder die ich habe. Und über mich in Demut. LASS LOS!
In diesem Sinne: Sisterhood und Motherhood 🤜🏻❤🤛🏾
PS: Dieses Buch habe ich zur Vorbereitung auf die zweite Geburt gelesen und empfehle es allen Frauen, die nach einem Kaiserschnitt, sich beim kommenden Kind eine spontane Geburt wünschen.